Manchmal möchte ich die Wände hoch gehen. Gerade heute früh, als ich, auf dem Klo sitzend, eine Radiorubrik hörte, in der es um Fußball ging, war wieder mal so ein Moment. Der Herausgeber einer Kickerzeitschrift sagte, dass eines der Probleme bei einem Verein sei, dass der Trainer niemanden fände, der einen bestimmten Spieler ablösen wolle, man ihn einfach nicht loswerde. Der Spieler als Ware ist ja nichts Neues, aber so abwertend hatte ich es noch nie gehört. Nach dem Frühstück lese ich in meiner Zeitung, dass Herr Schlecker schon seit Jahren von der drohenden Zahlungsunfähigkeit wusste und flugs millionenschwere Immobilien an Familienangehörige überschrieb und seiner Gattin einen Lohn von 60.000 (in Worten: sechzigtausend) Euro monatlich zahlte. Wofür? Nun, das ist ja wohl klar. Dafür, dass heute Tausende von Frauen keine Arbeit mehr haben und sich wie der letzte Dreck behandeln lassen müssen – wie so viele Leidensgenossen/innen.
Precht hat in einem Interview gesagt, dass eine Gesellschaft, die sich so sehr in die Breite vernetzt und ständig neues Wissen sammelt, ihr Personal unglaublich schnell austauscht und nicht mehr archiviert. Zwar ging es bei ihm um die Frage nach der historischen Rolle einer öffentlichen Personal in unserer Zeit, aber das Austauschen oder, noch schlimmer, das „Wegwerfen“ von Menschen, die nicht mehr gebraucht werden, gehört flächendeckend in allen Bereichen zum Alltag. Und dieser Umgang mit dem „Humankapital“ Mensch wird leider immer mehr akzeptiert.
Nun, ich war am Wochenende in Potsdam und wollte den heutigen Post mit Bildern und positiven Gedanken beginnen. Aber die Realität des Alltags holte mich schnell wieder ein. Nun aber zum Wochenende!
Ich hatte am Samstag sehr viel Zeit für mich, während ich darauf wartete, dass mir meine Enkeltochter ins Hotel gebracht wird. So saß ich lesend in einem Hotelcafé am Templiner See, genoss das schöne Wetter, ging zwischendurch am Wasser spazieren und setzte mich am späten Abend in die Nähe des Hoteleingangs in die Bar. Dort trank ich ein alkoholfreies Bier und las weiter in meinem Buch. Der Kauf eines E-Readers hatte sich gelohnt. So ein kleines und dünnes Ding ist in einer kleinen Handtasche schnell verstaut, ein 400-Seitenbuch eher nicht. Das Lesen war übrigens wirklich sehr augenschonend, was ich vorher nicht richtig glauben konnte. Als meine Kinder kamen, war die Kleine natürlich noch sehr beeindruckt. Schließlich war sie auf einer Hochzeit gewesen, mit einer Braut, die ein „großes“ Kleid anhatte und Luftballons, die in den Himmel flogen, aber ihrer zuerst nicht, weil der mit einem Knoten an ihrer Hand festgemacht war, aber dann flog der auch in den Himmel, und der war rot, und es gab Schokokuchen, und…… Sie hatte mir so viel zu erzählen, es war eine wahre Freude. Aber irgendwann übermannte sie dann doch die Müdigkeit. Wie es häufig so ist, wenn man denkt, nach so einem aufregenden Tag und so später Schlafenszeit (es war immerhin schon nach 23Uhr), würde ein Kind sich wie ein Erwachsener verhalten und so lange wie möglich schlafen, stellte sich das als Irrtum heraus. Um halb Sieben war die Nacht zu Ende. Wir hatten zwar ein riesengroßes Familienzimmer, in dem die Schlafräume weit voneinander entfernt aber nicht durch Türen getrennt waren, wie es sich in der Hotelbeschreibung aber angehört hatte. Irgendwann gelang es mir nicht, die Kleine dazu anzuhalten, leise zu sein, oder mich schnell anzuziehen und mit ihr ins Spielzimmer des Hotels zu gehen. Den Eltern waren leider nur fünf Stunden Schlaf beschieden.
Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns noch einen schönen Tag in Potsdam. Wir spazierten auf der Freundschaftsinsel, bewunderten Blumen und sahen den Booten und Schiffen zu. Nach einem Gang durch das Holländische Viertel und die Fußgängerzone beendeten wir den Tag in einem Eiscafé. Die Kleine bestellte sich ganz stolz ganz alleine eine Kugel Schokoladeneis. Und weil sie das so toll gemacht hatte und überhaupt so süß ist, wurde die Kugel von der entzückten Verkäuferin auch noch in bunten Streuseln gewälzt. Selbst die Wespen suchten uns nur sporadisch heim.
Solltet ihr auch manchmal die Wände hochgehen wollen, habe ich eine Möglichkeit gefunden, wie ihr ganz schnell wieder runterkommen könnt:
Potsdam ist natürlich eine Wasserstadt mit ganz unterschiedlichen Booten, fliegenden Fischen und wunderbaren Ein-, Aus- und Ansichten:
Mein Sohn schrieb gerade, dass, wenn bei dem einem Fisch die Stange wegretuschiert würde, er aussähe, als wolle er in den Baum beißen. Also habe ich das Foto doch mal schnell bearbeitet:
Hallo Elvira, wunderschöne Fotos, die Du da aus Potsdam mitgebracht hast, Ich war vor einigen Jahren häufiger beruflich dort, hatte daher aber wenig Zeit viel von der Stadt zu sehen. Umso mehr haben mich nun Deine Bilder erfreut. Vielen Dank und liebe Grüße Leonie
Ein paar Fotos mehr habe ich schon noch, aber die streue ich mal hier oder da ein.
Liebe Grüße von Elvira
Ich lese ja auch morgens meistens als erstes ein paar Zeitungen (online) und oft ist einem dann schon die Stimmung verdorben. Aber nichts lesen und nichts hören und sehen kann es ja auch nicht sein.
Wir waren vorletztes Jahr (oder war es letztes?) auch mal kurz in Potsdam und haben ein Wiederkommen schon beschlossen. Uns hat es auch sehr gefallen, auch wenn wir angesichts knapper Zeit nur wenig gesehen haben
Online lese ich selten, nur, wenn ich Artikel, die auszugsweise veröffentlicht wurden, nachlesen möchte. So wie heute das Interview mit Precht. Oder wenn ich bestimmte Artikel vergleichen möchte. Ansonsten genieße ich die Stunde auf der Couch, Füße auf den Tisch, und Printpaper in der Hand. Nichtlesen geht gar nicht. Nachrichten sehen muss ich nicht, aber hören und lesen.
Liebe Elvira, das ist der erste Post, den ich nach dem Urlaub lese und ich weiß nicht, ob ich schon so viel Realismus vertragen kann – nach zwei Wochen Natur und Langsamkeit.
Zu deinem Satz „dieser Umgang mit dem “Humankapital” Mensch wird leider immer mehr akzeptiert.“ fällt mir Folgendes ein: Man müsste ihn modifizieren. Weiß nicht genau wie. Aber wurde nicht auch schon früher so bzw. ähnlich mit Menschen ohne Macht verfahren? Ist dies nicht nach wie vor Alltag für viele Menschen in vielen Teilen der Welt?
Nicht das ich das Verhalten von Herrn Schlecker gutheiße. Ganz im Gegenteil. Meiner Meinung nach müsste es Straftatbestände für solcherlei Verhalten geben…
… nur die Aussage „früher war es besser“ trifft hier nicht zu. Es war früher genauso. Und ganz früher noch schlimmer.
Ich hoffe, Du hast die Entschleunigung genießen können. Für mich war es am Samstag schon recht ungewohnt, so ohne richtigen Plan und ohne das www. Aber dann begann ich mich darin wohlzufühlen. Nein, früher war nichts besser. Manchmal glaube ich, dass das nur deshalb behauptet werden kann, da es etwas ganz entschieden nicht gab: Die Informationsvielfalt der Jetztzeit.
Ich wünsche Dir einen guten Start in den Alltag, der auch sehr schön sein kann!
Liebe Grüße von Elvira
Sehr schöne Aus-, An-, Durch- und Rückblicke hat Du aus Potsdam mitgebracht.
Und nachdem ich nach dem Blick in unsere Tageszeitung + auf die gerade begonnene Bausünde im Landschaftsschutzgebiet direkt vor meinem Küchenfenster dann Deine einleitenden Worte gelesen habe, war ich äußerst dankbar für das Fahrrad und die Erzählung Deines/Eures schönen Wochenendes nebst fliegendem Fisch.
Lieben Gruß
Eva
Es wäre auch beängstigend, wenn nur noch schlechte Nachrichten unser Sein bestimmen würden. Wir dürfen und müssen uns auf- und erregen. Genauso aber dürfen wir darüber nicht all das Schöne übersehen, das uns immer noch umgibt.
Liebe Grüße von Elvira
Liebe Elvira,
die Fotos aus Potsdam sind allesamt wunderschön, vor allem das Rad an der Wand!!!
Liebe Grüße
moni
Nicht wahr, das ist wirklich originell. Es gibt sehr viele schöne Ecken im Holländischen Viertel. Ganz besonders die Höfe hinter den Geschäften sind oft wahre Kleinode.
Liebe Grüße von Elvira
Liebe Elvira,
da hst du eine gelungene Zusammenstellung von dem Wahnsinn der öffentlichen Alletage zusammen mit den Freuden des Menschseins verwoben, ja… ich möchte auch manchmal gerne hauen und stechen und die Wände hochgehen… gleichzeitig bemühe ich mch Tag für Tag mir meine Liebe und meine Freude für dieses Leben nicht kaputtmachen zu lassen und ein bißchen von dem in die Welt zu tragen, immer in der vielleicht überzogenen Hoffnung so kleine Samen zu streuen…
herzlich grüßt dich Frau Blau
oh nein, sooo viele Tippfehler… schäm… hoffe du verstehst mich trotzdem
Wo denn?? Habe nur zwei Buchstabendreher gefunden und zurückgedreht 🙂
Samen zu streuen – das gefällt mir!
Liebe Grüße von Elvira
Der Umgang mit arbeitenden Menschen, aber auch der Umgang der Menschen untereinander, das lässt in letzter Zeit sehr zu wünschen übrig. Fehlende Werte.
… (Du glaubst es nicht, ich bin beim Schreiben dieses Kommentars viermal!! unterbrochen worden. so kann man keinen klaren Gedanken fassen.) …
Deine Eindrücke von Potsdam gefallen mir sehr; wir waren kurz nach der ‚Wende‘ mal da und ich würde gerne sehen, wie sich alles verändert hat. Der schwebende Fisch 😉 sehr gut gemacht.
LG, April