Erste Liebe

Personenbezogen gab es viele erste Lieben: Mutter, Großeltern, Geschwister. Dann Harry, erste Liebe mit 11 auf einer Kinderverschickung. Heimliche Küsse hinter dem Schlafraumvorhang, kichernde Mädchen davor, die aufpassen, damit keine „Tante“ uns erwischt. Liebeskummer danach, weil ich wusste, dass ich Harry nie wiedersehen würde. Teenagerliebe, jede wieder völlig neu und einzigartig, einmalig. Kein weiterer Mensch auf der Welt kann so empfinden, nur ich wusste, wie sich Liebe anfühlt. Nach jedem Ende wurde auch der Kummer neu geboren, jedes Mal ein kleiner Tod. Heute weiß ich sehr wohl, dass Liebe universal ist, und dennoch für jeden Menschen anders.

Aber diese Lieben spreche ich hier nicht an, sondern die Liebe zur Musik. Es ist keine Richtung, die ich hier hervorheben möchte, sondern die Musik als Lesezeichen meiner Gefühle. Mir fiel das letztens wieder auf, als Scott McKenzie starb und ich den ganzen Tag immer und immer wieder San Franzisco hören musste. Ich schrieb damals in einem Kommentar, dass dieses Lied Gefühle aus den tiefsten Tiefen meines Ichs wachgerufen hat. Es war nicht das Drumherum dieser Zeit, sondern meine damaligen Empfindungen, die ich bis ins letzte Herzflimmern spüren konnte. Es war zum Greifen nahe – und plötzlich wieder fort. Wie ein Geruch, der vorbeiweht, an Erinnerungen kratzt und fort ist, bevor er zuzuordnen war. Sosehr ich dann auch meine Nase bemühe, der Geruch ist nicht mehr da. Musik aber kann ich immer wieder neu erleben. So werde ich immer, wenn ich die Carmina Burana höre, an das erste Mal in der Berliner Philharmonie denken. An dieses unbeschreibliche Gefühl und die Gänsehaut als der Chor Oh Fortuna anstimmte. Keine noch so spektakuläre Aufführung kommt an dieses erste Mal heran. Viele Klassiker der Rockgeschichte sind Begleiter meines Lebens geworden. Höre ich sie, kann ich die geweckten Emotionen sofort mit diesen Geschehnissen verbinden und neu erfühlen.

Als mein älterer Sohn noch fast Kind war, war dies sein Lieblingslied. Wenn ich es höre, denke ich an ihn zu jener Zeit. Und es passt so wunderbar zu diesem Post:

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11 Antworten zu Erste Liebe

  1. april schreibt:

    Das hast du wunderschön einfühlsam und sehr poetisch beschrieben. Wie gut, dass Musik nicht so flüchtig ist wie Gerüche oder visuelle Eindrücke. Sicher ist das der Grund, dass sie einen oft mitten ins Herz trifft. Psychologen würden vielleicht ganz prosaisch sagen, dass an bestimmte Töne und Klangfolgen Erinnerungen geknüpft sind, dass sie Assoziationen erweckt. – Gut, dass es so ist.
    Liebe Grüße send‘ ich dir, April

    • Elvira schreibt:

      Heute begleitet mich keine neue Musik mehr. Das ist merkwürdig! Es wird in zehn Jahren oder so kein Erinnern geben, wenn ich Musik aus der heutigen Zeit hören werde. Der letzte schöne Höhepunkt war das Hochzeitslied meiner Kinder, der traurigste die Musik zur Beerdigung meiner Mutter. Aber die höre ich nur selten im Radio, worüber ich froh bin.
      Liebe Grüße an den Rhein schickt Elvira

  2. Eva schreibt:

    Du hast es wundervoll auf den Punkt gebracht.
    Ich wünsche Euch eine gute Woche
    Eva

    • Elvira schreibt:

      Am Donnerstag und Freitag werde ich in den Flämimg zu einem 60.Geburtstag fahren. Darauf freue ich mich schon, auch wenn es mir immer etwas Unbehagen bereitet, meinen Mann alleine zu lassen.
      Liebe Grüße von Elvira

      • Eva schreibt:

        Deine Sorge kann ich nachvollziehen – auf der anderen Seite gibt so ein wenig Abstand vom Alltag auch wieder neue Kraft.
        Genieß‘ die Tage bzw. die Feier und vielleicht kommt bei dieser Gelegenheit doch mal wieder ein schönes, erinnernswertes Musik-„Erlebnis“ hinzu.
        Lieben Gruß
        Eva
        PS: Den Fläming musste ich gerade erst mal „erkunden“ … wieder was dazugelernt.

  3. Der Emil schreibt:

    Du hast so Recht mit Gerüchen und Musik! (Und doch gehe ich manchmal los und suche nach Gerüchen und finde sie auch wieder.)

    • Elvira schreibt:

      Manche Gerüche kommen immer wieder, entweder zu mir oder ich zu ihnen. Rasenschnitt, z.B., der auf der Wiese liegenbleiben darf und in der sommerlichen Sonne einen einzigartigen Geruch annimmt. Oder die Kühe auf den Weiden unseres Bauern, so milchig, süß und warm. Beides Gerüche aus wunderbaren Familienferien in der Kindheit und als Erwachsene. Dann Essensgerüche. Gerade gestern roch es aus einem Fenster nach angebratenem Rindfleisch – wie bei meiner Mutter, ich konnte nicht genug davon bekommen. In der Uni Potsdam Golm roch es in einem alten und recht maroden Gebäude nach etwas, das ich kannte aber nicht benennen konnte. Na, ja, solche Dinge eben….

  4. Frau Momo schreibt:

    Ich weiß gar nicht mehr, was meine erste große Liebe war. Aber es gibt viele Lieder, die mit Erinnerungen verbunden sind, meine ersten selbst gespielten auf der Gitarre, die ersten Herz-Schmerz Lieder, die so wunderbar halfen, den Liebeskummer zu durchleben….

  5. Martin schreibt:

    Als ob das Lied nur für dich geschrieben, gespielt und gesungen wurde… stimmt’s? Vielleicht wurde es das ja sogar. Niemand weiss, wann, wieso und warum eine Inspiration einen Künstler trifft.

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