Alten-Haus

Nach meinem gestrigen Beitrag, den ich, was unschwer zu überlesen war, mit einem gewissen Überdruck geschrieben habe – Blog als Ventil, nicht schlecht! – las ich heute einen interessanten Artikel im Berliner Tagesspiegel. Das Thema ist nicht neu, auch die Frau eines befreundeten Ehepaares hatte das einmal angedacht. Mitunter vergeht nach dem  ersten Denken so viel Zeit, dass es für ein Handeln zu spät sein kann. Diese Leute hier haben gehandelt und sich ein Haus (mit Mietwohnungen!) gebaut. 20 Menschen zwischen 60 und 80Jahren wohnen hier – jeder für sich, aber nicht einsam. Wie hieß es in dem Artikel an einer Stelle? Weil man auch als Ehepaar vereinsamen kann.

…Die beiden Frauen dachten nicht an eine Wohngemeinschaft, sondern an ein großes Haus mit vielen Wohnungen, in denen Menschen zwischen 60 und 80 Jahren unabhängig und doch zusammen leben.

Erst mal sagte Lohmeyer nichts, als er den Vorschlag hörte. Er war skeptisch.

Das änderte sich wenig später. Er war mit seiner Frau im Urlaub in Südfrankreich, da ereilte ihn ein Notruf seiner 80-jährigen Mutter. Sie war in ihrer Wohnung in Hannover zusammengebrochen, wahrscheinlich ein Schlaganfall. Die Lohmeyers brachen den Urlaub ab, rasten nach Hannover, fanden die alte Frau verwirrt und alleine. Sie räumten die vollgestopfte Wohnung aus und hatten den Eindruck, das Alleinleben war der Mutter zu viel geworden. Sie suchten ein Pflegeheim und sahen viele Orte, an denen sie niemals leben wollten. Da sagte Michael Lohmeyer zu seiner Frau, ich will auch das Alten-Haus.

Im Alter mit Gleichgesinnten in ein großes Haus ziehen. Die Vorstellung haben viele. Doch die wenigsten verwirklichen sie. Mindestens jeder Dritte über 55-Jährige denkt darüber nach, in ein solches Wohnprojekt zu ziehen, glaubt Andrea Töllner vom Forum Gemeinschaftliches Wohnen e. V., das Wohnprojekte wie das in Stade berät und begleitet. Tatsächlich ist es eine gute Entscheidung: Studien belegen, dass ältere Menschen, die in Wohnprojekten zusammenleben, viel seltener und viel später in Pflegeheime müssen als jene, die alleine leben. Töllner schätzt, dass es in Deutschland aber nur etwa 3000 Häuser gibt, darunter auch einige, in denen mehrere Generationen zusammenwohnen. „Oft verhindern finanzielle Schwierigkeiten das Projekt, entweder weil sich kein Investor findet oder weil die Menschen Angst vor den Kosten haben, die auf sie zukommen können. Noch öfter scheitert es daran, dass die Menschen sich die Veränderung dann doch nicht zutrauen.“…

Der ganze Artikel kann hier gelesen werden. Wahrscheinlich ist das keine Lösung bei eintretender Schwerstpflegebedürftigkeit – oder vielleicht doch? Vielleicht können solche  Gemeinschaften die frühere Großfamilie ersetzen? Oder ist unser Egoismus dafür schon zu groß?

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10 Antworten zu Alten-Haus

  1. perlengazelle schreibt:

    Es kann funktionieren. Aber ohne eine gewisse Flexibilität und Toleranzbereitschaft geht es nicht. Die sollte man schon in jüngeren Jahren eingeübt haben. Beginenhöfe könnten auch eine Alternative sein. http://www.beginenhof-essen.de/ Gruß perlengazelle

    • Elvira schreibt:

      Das „Essen“ hatte mich kurzfristig irritiert, assoziiere ich Beginenhof doch augenblicklich mit den Niederlanden und Belgien. Dieses Wohnprojekt kannte ich nicht und habe mir den Link natürlich angesehen. Dann habe ich recherchiert und verschiedene Projekte dieser Art – auch in Berlin – gefunden.

  2. leonieloewin schreibt:

    Ich höre auch immer häufiger von vielen Bekannten, die – zumindest nach derzeitigen Bekundungen – ihre späten Jahre in einer Alten WG verbringen wollen. Für mich hört sich das gut und überzeugend an. Es gibt ja heute auch schon recht viele Wohngemeinschaften für demente Menschen. So dürfte bei geeigneten Rahmenbedingungen auch einei eintretende Schwerstpflegebedürftigkeit kein Hindernis sein. Viele liebe Grüße Leonie

    • Elvira schreibt:

      Ich glaube, dass man sich rechtzeitig darum kümmern muss. Am besten wäre es, mit einem intakten Freundeskreis rechtzeitig darüber zu reden und zu planen.
      Liebe Grüße von Elvira

  3. Gudrun schreibt:

    Die Großfamilie wird es nie wieder so geben, so wie das mal war. Mein letztes Kind zieht nun bald auch noch ganz weit weg. Da finde ich das Nachdenken über solche Projekte richtig gut, auch deshalb, weil es einem Halt geben kann. Jünger wird ja bekannterweise niemend.

    • Elvira schreibt:

      Ach, ich könnte mir das so gut vorstellen. Mein Mann hatte früher den Traum eines Vierseithofes, jede Familie bekäme eine Seite. So wären Großeltern, Kinder und Enkel miteinander verbunden ohne sich auf die Füße zu treten. Aber das war – und ist – eben nur ein Traum.
      Da sind diese „Alten“-Wohnprojekte schon eher vorstellbar. Aber, wie perlengazelle weiter oben schon betonte, gehören Flexibilität und, für mich fast noch wichtiger, Toleranz, dazu.
      Liebe Grüße von Elvira

  4. minibares schreibt:

    Solche Projekte finde ich sehr, sehr gut.
    Leider nicht so leicht zu bewerkstelligen.
    Aber erstrebsam ist das auf alle Fälle.

  5. Frau Momo schreibt:

    In Hamburg gibt es einiges an Wohnprojekten mit unterschiedlichen Ausrichtungen und wir haben für uns schon lange überlegt, das wir auch allemal lieber in sowas alt werden möchten, als in einem Heim. Aber man müßte vermutlich so allmählich mal damit anfangen, sich nach sowas umzusehen und da hapert es dann doch. Vermutlich ist da einfach die Hoffnung, fit alt zu werden oder so. Von meiner Familie war nur meine Oma im Heim und das auf eigenen Wunsch, nachdem mein Großvater gestorben war. Alle anderen konnten bis zuletzt zuhause bleiben und obwohl wir eine so kleine Familie sind, hat es mit der Versorgung immer bestens geklappt. Nun bin ich allerdings die letzte in der Kette… ohne Kinder. Meine Mutter kann sich noch auf mich verlassen und ich weiß, das ich alles tun werde, um diese aktive Frau nicht ins Heim bringen zu müssen. Zur Not ziehen wir bei ihr ein und leisten die Hilfe selber.

    • Elvira schreibt:

      Ich hoffe auch immer, dass ich bis zum Ende in meinen eigenen vier Wänden ohne große Hilfe auskommen kann. Meine Mutter hat das bis zum Schluss geschafft, sogar mit Garten. Eine Entscheidung treffen muss man allerdings viel früher, da hast Du absolut Recht. Aber wann? Also wird das Thema vertagt.

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