Zum Jahreswechsel oder Geistige Onanie 16:9

Eine Kollegin hat in meinem Blog gestöbert und mir geschrieben, dass ihr der folgende Artkel gut gefiel. Er ist vom Dezember 2010, einer meiner ersten Beiträge. Als ich ihn jetzt las, habe ich festgestellt, dass sich in den vergangenen sieben Jahren wenig verändert hat. Nur eine Sache stimmt nicht mehr: Ich sehe nicht ab und an in die Röhre, mein Fernseher wurde im zu Ende gehenden Jahr nur ein einziges Mal angestellt. Alles, was mich interessiert, lese ich nach oder benutze die Mediatheken auf meinem Tablet. Und nun mein unkorrigierter Artikel aus 2010 mit allen gute Wünschen für 2018 hier auf dieser Plattform und überall.

 

„Das Jahr neigt sich seinem Ende zu. Überall lese ich von guten Vorsätzen für das Neue Jahr. Sollte  auch ich welche haben? Ich rauche nicht, trinke maßvoll Alkohol, neige nicht zur Völlerei. Also was bliebe dann noch?

Vielleicht sollte ich mir vornehmen dumm zu werden? Ein Blogger philosophiert über spirituelle Dummheit. Der Dumme ist glücklich, weil er von seiner Dummheit nichts weiß. Er merkt nicht einmal, wenn er Dummes von sich gibt. Heureka! Das ist es! Dummsein liegt im Trend. Aber Vorsicht! Ich möchte die Dummheit, die ich meine,  an dieser Stelle etwas differenzieren, denn mir geht es  hier nicht um den vom Intellekt her ärmeren Geist. Diesen habe ich oft als ausgesprochen klug erlebt. Wobei wiederum Klugheit in diesem Kontext nicht bedeutet, die Millionenfrage beantworten zu können. Klug zu sein setzt für mich aktives Denken voraus. Und an diesem Punkt scheiden sich die Geister.

Sapere aude? Wer denkt heute noch selber? Wer bildet sich seine Meinung durch den Mut, selbst zu denken? Meinung wird heute gemacht. Man spricht schließlich von „Meinungsbildenden Medien“. Und die Medienlandschaft ist groß. Beliebteste Meinungsschleuder neben der Gazette mit den vier großen roten Buchstaben ist das Fernsehen: Pseudo-Dokus, pseudowissenschaftliche Magazine, Talk-Shows mit nichts sagenden Teilnehmern, Interviews mit vorab eingereichten Fragen, menschenverachtende Castingshows, Reality-Soaps, Stammtischphrasen, geistige Onanie 16:9. Solange Menschen vor dem Bildschirm sitzen, gehen sie nicht auf die Straße. Brot und Spiele, Zucker für den Affen, damit er nicht beißt. Und wenn er mal beißt, kommen Wasserwerfer und Pfefferspray zum Einsatz.

Oh, ich habe nichts gegen Fernsehen, ich schaue auch in die „Röhre“. Nur kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Sender der Mattscheibe anpassen. Je flacher der Bildschirm desto  flacher das Programm. Wie gesagt, auch ich suche Entspannung durch gelegentlichen Fernsehkonsum, Filme, bei denen ich einfach abschalten kann. Die müssen keinen Bildungsauftrag erfüllen. Bei denen möchte ich  lachen können, sie dürfen romantisch sein, spannend, auch gruselig. Suche ich Anregungen, dann sehe ich politisches oder literarisches Kabarett, Infos aus der Region, Nachrichten.

Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derjenigen, die die Welt nicht geschaut haben!“ Aber die Welt wird uns doch jeden Tag 24h lang frei Haus geliefert. Warum sollten wir sie uns noch in der Realität ansehen müssen? Anders als Humboldt meine ich hier mit „Welt“ nicht den ganzen Globus. Wer ist schon in der glücklichen Lage die Welt bereisen, entdecken und begreifen zu können? Aber bei vielen hört die Welt gleich vor der Haustür auf. Was um die Ecke herum geschieht, interessiert nicht mehr. Die Welt ist das, was da in dem Riesenteil an der Wand oder auf dem Multimediamöbel gezeigt wird.

Toleranz, Nächstenliebe, Menschenfreundlichkeit sind Werte, nach denen ich immer leben wollte. Ich glaubte früher, dass dieses Streben allen Menschen eigen sein müsste. Dem ist nicht so, dass weiß ich schon lange. Denn Dummheit, nicht zu verwechseln mit Naivität, macht auch dumpf. Dumpf, egoistisch, gleichgültig! Es gab einmal den Begriff „Herzensbildung“. Diese Bildung suche ich heute oft vergebens. Sie ist zusammen mit den Begriffen Moral, Loyalität, Respekt, Ehrfurcht vor dem Leben, verschwunden. Bildung ist ein kostbares Gut, an ihr darf nicht gespart werden. Sonst hat die Droge im Wohnzimmer auch bald die Jüngsten in ihren Bann gezogen.

Nein, ich werde mir nicht vornehmen dumm zu werden. Solange es mir möglich ist will ich meine grauen Zellen benutzen – es sei denn, Demenz oder Alzheimer nisten sich in meinem Hirn ein – um weiter über den Tellerrand sehen zu können.

Ich habe doch noch einen weiteren Vorsatz gefunden: Ich will mich freuen! Ich will mich daran freuen, meine Enkelkinder aufwachsen zu sehen, solange es die drei Moiren zulassen. Ich will mich meiner Söhne und ihrer Frauen erfreuen, alle kritische Geister, Denker, Querdenker. Ich will mich freuen, dass es meinem Mann gesundheitlich wieder besser geht. Ich will geduldiger werden, gelassener. Ich will keine fruchtlosen Auseinandersetzungen mit ewig Gestrigen mehr führen. Denn das raubt Lebensenergie. Und der Vorrat dieser Energie wird naturgemäß immer kleiner und ist immer schwerer aufzufüllen.

In diesem Sinne:

Adieu2010 – Willkommen  2011!“

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15 Antworten zu Zum Jahreswechsel oder Geistige Onanie 16:9

  1. Ulli schreibt:

    Liebe Elvira, da gehen sie hin, die Jahre und das, was du zum Wechsel von 2010/11 geschrieben hast ist noch immer brandaktuell und für mich wahr.
    Es gibt Momente in denen es mir sehr schwer fällt zuversichtlich zu sein und zu bleiben, heute ist so ein Tag, darum fasse ich mich auch nur kurz.
    Dir sende ich herzliche Grüße und freue mich auch auf ein Jahr, weiterhin mit dir und deinem Blog und dir als Kommentarin,
    Ulli

  2. aquasdemarco schreibt:

    Alles Liebe dir und Familie

  3. Hans-Georg schreibt:

    Tja, in den vergangenen 7 Jahren, hat sich nichts geändert!
    Wir haben in den letzten 2 Wochen abends mal die „Röhre“ eingeschaltet. „The Crown“, die 2. Staffel, war unser Begehr. Das war’s dann aber erstmal wieder für ein paar Monate.

    • Elvira schreibt:

      Diese Serie wird ja hoch gelobt. Ich muss mal sehen, ob es sie auf Amazon Prime oder Netflix gibt.

      • Hans-Georg schreibt:

        Das ist eine Netflixproduktion. Es ist sehr spannend. Wir haben immer 2 Folgen am Stück geschaut und eigentlich mochten wir dann gar nicht aufhören. Die Schauspieler wurden excellent ausgesucht und sehen den Originalen sehr sehr ähnlich. Nebenbei erfährt man so einiges über die Geschichte der Royals und der sie umgebenden Personen. Viele Namen wurden mir wieder in Erinnerung gerufen. Habe am nächsten Tag oftmals einiges bei Wikipedia recherchiert, ob das denn so wahr gewesen ist. Es ist wirklich unglaublich toll!

  4. Eva schreibt:

    So viel Veränderung wie ich mir in manchen Dingen wünsche, so sehr wünsche ich mir auch, dass Du so bleibst wie Du bist. Ein gutes 2018 wünsche ich Dir und Deiner Familie, vielleicht wird es ja ein Jahr der positiven Veränderungen.

  5. Gudrun schreibt:

    Ich habe festgestellt, dass es krank macht, wenn man immer wieder gegen Dinge anrennt, die man alleine nicht ändern kann. Jetzt versuche ich, bestimmte Dinge anzunehmen und das zu tun, was ich tun und verändern kann. Die Gelassenheit möchte ich mitnehmen ins neue Jahr.
    Liebe Elvira, ich wünsche dir ein gutes neues Jahr und ganz bestimmt lesen wir uns wieder.

  6. wildgans schreibt:

    Alles Gute Dir, liebe Elvira!
    Freut mich, was Du schreibst über das Bessergehen…
    Was oder wer sind die drei Moiren?
    Liebe Neujahrsgrüße von
    Sonja

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