Der Sonntag in Berlin ist grau und ungemütlich. Nach einer Woche voller Unternehmungen ist Faulenzen angesagt. Christianes Etüdeneinladung machte Lust auf einen weiteren Text. Dafür wählte ich dieses Mal das andere Logo und verwendete 263 Wörter.
Der Anruf
Als ich auf dem Display sah, wer anrief, wollte ich das Klingeln zunächst ignorieren. Ich wusste genau, dass ich mir die nächste halbe Stunde, mindestens, wenn nicht länger, wieder dieses belanglose BlaBlaBla anhören musste. Aber sie würde wieder anrufen. Und wieder. Und wieder. Also nahm ich ab und schon ging es los. Hast du schon gehört, weißt du dass, also ich muss dir was unglaubliches erzählen, du wirst es nicht glauben. Für Antworten ließ sie mir keine Zeit. Ihr genügte ein dazwischengeworfenes „Ach, ja…wirklich…kaum zu glauben“ als Feedback völlig aus. Wie immer, wenn sie anrief, griff ich zu Papier und Bleistift und skizzierte Ideen für meine nächsten Bastelideen. Während der Papiertiger immer mehr Gestalt annahm, machte sich der heutige Kaffeekonsum bemerkbar. Eine Zeitlang hippelte ich auf dem Sofa herum, doch die Blase ließ sich nicht beirren. Also nahm ich das Handy mit auf die Toilette. Meine Anruferin würde in ihrem Gesprächsfluss schon nichts mitbekommen. Ich versuchte meine Blase so leise wie möglich zu entleeren. Ihr kennt das doch auch, nicht wahr? In öffentlichen Toiletten zum Beispiel. Oder wenn nur eine Tür das WC vom Gastraum eines Restaurants trennt. Man möchte so lautlos wie möglich sein Geschäft verrichten. Ein schwieriges Unterfangen! Plötzlich war es still am Telefon. Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte die, die sonst am anderen Ende der Leitung anscheinend nie zuhört: „Bedeutet das Plätschern das, was ich vermute? Sitzt du etwa gerade auf dem Klo? Hach, das hätte ich dir nie zugetraut! Dann mal los, spülen, schön Hände waschen, zurück aufs Sofa und weiter malen. Ich habe noch ne Menge zu erzählen!“
Witzig!
Kenne ich genau so.
Doch ich lasse es nicht mehr gefallen. Bei mir kommt nur noch an, wer sich auch nach meinen Belangen erkundigt!
Aber das war ja fiktional, oder?
Gruß von Sonja
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Ja, das war es. Bis auf die Sache mit dem Plätschern. Hab mal gelesen, dass es, ich glaube in Japan, Geräte auf den Toiletten gibt, die das Pinkelgeräusch übertönen sollen. Na, ja, dort sind die Wände ja auch extrem dünn.
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Ich gehe auch mit Telefon auf die Toilette, wenn es sein muss und sage das dann auch, bislang war noch niemand pikiert.
So eine ignorante Sabbeltasse braucht man nicht, oder?!
Eine feine Etüde, liebe Elvira!
Herzliche Grüße
Ulli
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Ich bin froh, dass die meisten Anrufer das Festnetz benutzen und nicht über Skype oder FaceTime mit dem Smartphone telefonieren 😂
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Da muss man halt Prioritäten setzen: auf der Toilette nur E-Mails oder WP lesen!
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Da würde ich mich widersetzen. Nicht nur wegen der Toilette.
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Ich sitze hier und grinse ziemlich in mich hinein. Ich kenne solche hartnäckigen Anrufer auch. Wer mich aber dauerhaft nur langweilt, der kann mir irgendwann gestohlen bleiben, der ist nicht mein Freund – und wenn ich so weit bin, dann ist es nur fair, das auch zu sagen.
Danke dir, gefällt mir gut, deine Etüde!
Liebe Grüße
Christiane 😁🐱🍷👍
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Danke! Aber diese Geschichte hat eine versteckte Moral. Die Anruferin hatte sehr wohl, wenn vielleicht nicht immer, aber häufig zugehört. Denn sie wusste um die Malerei während der Telefonate. Vielleicht war sie, obwohl ihre Anrufe lästig erscheinen, die Muse, die unbewusst die Kreativität der Angerufenen beflügelten. Ganz subtil. Ist es nicht oft so, dass uns die besten Ideen kommen, während wir gar nicht mach ihnen suchen? Der Anfang eines Textes fällt uns nach langer Schreibblockade während einer Periode langanhaltender Langeweile ein.
Liebe Abendgrüße schickt Elvira
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Das schreibst du so aber nicht? Ich lese aus dem Text, dass die andere mitbekommen hat, dass sie auf dem Klo saß, während sie zugetextet wurde, und überraschend reagiert hat.
Dass du recht hast mit den guten Ideen, steht völlig außer Frage. Ich habe manchmal zündende Einfälle unter der Dusche, ich glaube, das Phänomen ist relativ bekannt.
Guten Morgen, liebe Grüße
Christiane 😁☕🍪
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Die Anruferin kennt Dich besser, als Du zu ahnen gewagt hast. – Fein, wie Du drei Wörter tief ins Gespräch eingebunden hast.
Liebe Elvira, habe es endlich geschafft, mir ein wenig Zeit zu nehmen und Deine Geschichten und Bilder nachzulesen/-schauen. War sehr kurzweilig. Schön, dass Du Dein Blog wieder mit Leben füllst. Bis bald, Eva
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Genau das wollte ich mit dem letzten Satz zum Ausdruck bringen! Schön, dass Du hier warst!
Sei lieb gegrüßt,
Elvira
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Meine beste Freundin und ich gingen immer zusammen aufs Klo, damit wir das Quatschen nicht unterbrechen mußten. Nicht als Kinder, wohlgemerkt 😅. Aber nur zu Hause, nicht, wenn wir unterwegs waren 😜
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