Wie alles begann

Vorab möchte ich sagen, dass ich Nähen gehasst habe.Kaum zu glauben? Stimmt aber! Ich musste als junges Mädchen auf Drängen meiner Mutter und Großmutter den Beruf der Schneiderin erlernen. Wie es damals eben oft so war: Du brauchst keine weitere Schulausbildung, Realschuele reicht doch, Du heiratest ja doch irgendwann, das Nähen kann man immer brauchen u.s.w., u.s.w. Was blieb mir übrig?

Da ich sehr gute Leistungen in der Berufsschule erbrachte, durfte ich schon nach 2,5 Jahren meine Gesellenprüfung ablegen – die ich im praktischen Teil mit Mühe und Not und vielen zugedrückten Augen der Prüfer dann auch bestanden habe. Nach weiteren sechs Monaten in diesem Beruf überlegte ich mir jeden Morgen ob ich mir nicht mit der Nähmaschinennadel durch den Finger nähen sollte, um ein paar Tage oder Wochen krankgeschrieben zu werden. Ich wählte die schmerzfreiere Variante und suchte mir eine neue Arbeit. In einem großen Berliner Zeitungsverlag fand ich meine Bestimmung und die Nähmaschine den Weg in die hinterste Ecke meiner Wohnung.

Wenn mein Mann sich heute in unserer Wohnung umsieht, fällt sein Blick in jedem Raum auf von mir Genähtes. Dann staunt er immer wieder und berichtet jedem, der es noch nicht gehört hat, dass er früher lieber Kleidung in die Änderungsschneiderei brachte, wenn ein Reißverschluss erneuert werden musste, als mich zu fragen. Nun gut, Knöpfe habe ich schon angenäht – aber mit spitzen Fingern! Ich strickte gerne, stellte nette Filethäkelarbeiten her, habe aber auch, als meine Kinder klein waren, schon mal Puppen genäht, einen schönen Flickenteppich oder ein tolles Stoffbuch. Ein Hobby wurde nicht daraus.

Dann kam im März 2009 die wunderbare Nachricht, dass ich im September Oma werde. Ich wollte irgend etwas für mein Enkelkind herstellen und stöberte in den Buchhandlungen nach Vorschlägen. Zwei Bücher taten es mir besonders an: „Nähen fürs Kinderzimmer“. Den Utensilienbus daraus wollte ich unbedingt nähen. Aber woher bekomme ich den Stoff? Da fiel mir ein, dass wir in Rudow einen Laden haben, der „Stickwerkstatt“ heißt. Dort sollte es auch Stoffe geben. Also ging ich unbedarft dort hinein.

Und dann kam dieser Moment: An einer Wand hing ein riesengroßer, handgenähter und handgequilteter Wandquilt. Ich stand davor und war erschüttert. Ja, das trifft es. Ich war erschüttert und fassungslos. Wie kann jemand so etwas schönes genäht haben? Genäht! Nachdem ich mich gefasst hatte, ließ ich mich beraten, welche Stoffe für den Utensilienbus in Frage kämen – denn 1 zu 1 wollte ich ihn nicht nacharbeiten. Ich entschied mich für eine Auswahl und war das zweite Mal erschüttert. In meiner Kauflaune hatte ich nicht auf die Preise geachtet und muss die Verkäuferin etwas dümmlich angesehen haben, als sie mir den Endpreis nannte. SO teuer ist Stoff? Ich hatte ja noch keine Ahnung!

Jedenfalls gelang der Bus für das erste Nähprojekt sehr gut. Ich surfte dann so durchs Netz auf der Suche nach Ideen. Und wie das so ist beim Surfen, irgendwann erwischt man die perfekte Welle. Meine Welle führte mich auf Seiten von Frauen, die patchen und quilten, und deren Quilts wahre Kunstwerke sind. Manche Quilts waren wie Gemälde, nur mit Nadel und Faden gemalt.

Ich besorgte mir stapelweise Magazine und Bücher, las in Blogs, sah mir Anleitungen auf Youtube an, suchte nach Stoffläden und entdeckte wunderbare Onlineshops mit Stoffen, von denen ich nicht mal ahnte, dass es sie gibt.

Und ich begann zu nähen – und hörte nicht mehr auf. Unser Esszimmer mutierte zur Nähstube, wann immer ich es zeitlich (ich bin ja noch berufstätig) ermöglichen konnte, war ich am Entwerfen, Zuschneiden oder Nähen. Zum ersten Mal war ich dankbar für meine Ausbildung. Den Umgang mit einer Nähmaschine musste ich nicht erst lernen. Aber ich musste Sorgfalt lernen. Und ich musste lernen, dass nicht alles 100% perfekt sein muss. Diese Erfahrung machte ich auf Patchworkausstellungen. Dort hingen Werke, an denen ich, wären es meine, sicherlich das Eine oder Andere bemängelt hätte – ein etwas schiefes Dreick, ein unregelmäßiges Binding o.ä. Aber das war egal! Denn jeder Quilt war einfach nur schön! Ein Unikat! Unverwechselbar!

Und so sehe ich heute auch meine Arbeiten. Sie sind nicht immer perfekt, aber es sind von mir genähte Kunstwerke. Ich habe noch nicht meinen Stil gefunden, weil ich noch auf der Suche bin. Ich mag das klassische Design, liebe aber auch die freie Schneidetechnik,weil sie meiner Kretivität freien Raum gibt.

Das war mein Weg zu diesem wunderschönen Hobby, das ich weltweit mit so unglaublich vielen Menschen teile. Das glauben Sie nicht? Dann googeln Sie einfach mal „Patchwork“ und „Quilt“! Aber Vorsicht! Der Suchtfaktor ist groß!

6 Antworten zu Wie alles begann

  1. icke schreibt:

    Hallo mein Schatz,

    kannste mal ’ne Hose kürzen und am Pulloverärmel einen Flicken einnähen.

    Ich liebe Dich!!!!

  2. Der Große schreibt:

    Hallo meine Mama,

    mir ist neulich mein Knopf vom Mantel abgerissen, kannst du den annähen wenn du Papas Hose gekürzt hast 😉

    Fühl dich ganz lieb gedrückt und herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Blog und DANKE für all die schönen Kunstwerke aus deiner Hand.

    Dein Großer

  3. Hallo Elvira
    Ich bin beeindruckt, um nicht zu sagen sprachlos.
    Über Piri bin ich zu deinem Blog gekommen. 🙂 ,
    Und werde erschlagen von einer unglaublichen Fülle an Kreativität, in Wort und Tat.
    Ich nähe auch sehr gerne, allerdings nicht ständig oder gar hobbymäßig.
    Als die Kinder noch klein waren, habe ich viele, viele Hosen geflickt, auch ein paar Kleidungsstücke genäht oder geändert, Barbie-Puppenkleider und Karnevalskostüme angefertigt, sowie Änderungen bei z.B. Gardinen usw. erledigt.
    Wie das halt so ist, wenn im Freundes- und Bekanntenkreis bekannt ist, dass man eine Nähmaschine hat und einigermaßen damit umzugehen versteht.;-)
    Toll, was du alles geschaffen hast. Mit deiner Ausbildung wurde dir quasi zwanghaft ein wahrer Schatz geschenkt. Auch wenn einem nicht immer klar ist, wozu etwas gut sein soll, irgendwann zeigt es sich. Auch wenn es gelegendlich Jahre oder Jahrzehnte braucht. 🙂
    Ich komme bestimmt noch mal öfter vorbei.
    Grüßli 🙂

    • Elvira schreibt:

      Ein netter Blogname 😉
      Danke für Deinen Besuch. Mein Blog ist für (fast) jeden geöffnet. Gastfreundschaft ist für mich ein hohes Gut. So ist das in Bloggerhausen, nicht wahr? Man liest hier und dort, stößt ab und an auf neue Blogs, besucht sie sporadisch bis regelmäßig oder stellt die Besuche wieder ein. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wie ich zu Piri gefunden habe. Meistens ist es so, dass mich ein Kommentar in einem Blog anspricht und ich schaue, wer sich dahinter verbirgt. Über Blogrolls bin ich noch nie gegangen – obwohl mich da manchmal schon die Namen der Blogs reizen würden. So wie Deiner!
      Mich hat übrigens selten jemand wegen kaputter Nähte o.ä. angesprochen, weil alle wussten, wie sehr ich das Nähen hasste. So ändern sich die Dinge.
      Liebe Grüße von Elvira

      • Hallo Elvira 🙂
        Danke für das Kompliment.
        Mir geht es auch so: ein Kommentar fällt mir auf, so wie deiner, dann muß ich „gucken gehen“ wer das ist.
        In allen Blogs kann ich gar nicht lesen, auch wenn ich’s möchte. Und einige sind gestrichen, weil sich der Inhalt verändert oder der Bloginhaber. Zudem gibt es auch noch ein reales Leben, dass immer Vorrang hat. Bei uns ist zur Zeit viel Gartenarbeit angesagt. Da steht der PC auf verlorenem Posten, solange die Sonne scheint. Heute hat es mal geschüttet 🙂
        Grüßli … bis bald mal ..

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