Fundzitat

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Dieses Zitat klebt im Fußgängertunnel des S-Bahnhofs Karlshorst. Knallgelb und sehr groß und ganz alleine an der grauen Wand springt es den Passanten ins Auge. Nachdem ich es fotografiert hatte, blieb ich etwas am Rand der Unterführung stehen und beobachtete die Menschen. Bis auf eine Frau nahm niemand von der Botschaft Notiz. Ich habe überlegt, woran das liegen könnte. Vielleicht hängt das Plakat schon eine längere Zeit an dieser Stelle und die meisten Menschen haben es bereits wahrgenommen? Oder sie lesen die Worte im Vorbeigehen und stufen sie als bedeutungslos ein? Vielleicht sehen sie es auch gar nicht, weil immer und überall Botschaften hängen? Eventuell ängstigt es sie auch. Denn wenn ich die Worte aufmerksam lese, werde ich mich mit ihnen auseinandersetzen müssen. Ich werde im Netz nach Sri Chinmoy suchen, nach seiner Biografie, seiner Philosophie. Das bedeutet, dass ich nachdenke, letztendlich werde ich bei mir landen und mir Gedanken über mein Denken und mein Handeln machen. Ich habe während meiner Reha festgestellt, dass es den meisten Menschen sehr schwer fällt, über sich nachzudenken und ihren Gefühlen nachzuspüren. Noch schwerer ist es, diesen Gefühlen einen körperlichen Raum zu geben und zu beschreiben, wie sich dieser Raum anfühlt.  Ich bin sehr dankbar, wenn ich unterwegs solche Botschaften sehe. Sie erinnern mich daran, nicht wieder in einen gefühlstötenden Alltagstrott zu verfallen, sondern stehenzubleiben. Einen Moment innehalten und spüren, was sich in meinem Körper abspielt, wo sich welche Gefühle Bahn brechen oder sich versteckt haben und welche Bedeutung ich ihnen geben muss.

Martin hat übrigens auch so ein gelbgrundiges und tiefgründiges Zitat gefunden!

 

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12 Antworten zu Fundzitat

  1. Ulli schreibt:

    ich finde es spannend, dieses Schild, diesen Satz … gerade in den letzten drei Wochen habe ich oft darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn ich jetzt so reagiert hätte und nicht so … es ist der Moment, den ich vorbeigehen lassen muss, um so zu reagieren, dass ich meinen Frieden damit habe, reagiere ich sofort, dann kommen oft alte Muster zum Vorschein, die mir nicht wirklich gefallen!
    ich grüße dich herzlich aus dem Rheintal …

  2. wildgans schreibt:

    Also auch Du so ein Mensch, der diese „anderen“ Augen hat…

  3. Dina schreibt:

    Ich schliesse mich Ulli an.Ja, was wäre wenn …
    Ein schönes Wochenende,
    liebe Grüße, Dina

  4. Monika-Maria Ehliah schreibt:

    Ich habe den Eindruck,
    dass sehr viele Menschen überhaupt nicht nachdenken wollen
    über ihr Leben. Sie rennen und rasen, haben ständig irgendwelche *Zerstreuungen*,
    wie Radio, Fernsehen, PC-Spiele u.s. nur damit die keine Zeit haben um nachzudenken…
    Segen.
    M.M.

  5. Martin schreibt:

    Davon gibt es sogar eine ganze Menge. In den inneren Stadtteilen vermutlich durch die größere „Publikumsdichte“ etwas mehr als j.w.d.

    Im Prinzip ist dieses Zitat von Sri Chinmoy der Essenz von Viktor Frankls „Trotzdem Ja zum Leben sagen“ sehr ähnlich. Er hat auf leidvolle Weise erfahren und erkannt, das ihm alles genommen werden kann (wurde) und ihm am Ende dann aber doch diese eine Freiheit bleibt: die Freiheit über seine Reaktion auf die Umstände!

    Ich habe während meiner Reha festgestellt, dass es den meisten Menschen sehr schwer fällt, über sich nachzudenken und ihren Gefühlen nachzuspüren.

    Verständlich. Es ist unangenehm sich mit einem kranken Körper / einer verletzten Seele zu assoziieren.
    Es geht deutlich leichter, wenn die wandelnde Hülle vollständig belebt und von Altlast befreit ist.

  6. Pingback: Fundzitat | Resident on Planet Earth

  7. quiltfru schreibt:

    Ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass die Leute solche Plakate zwar registrieren, aber zu dumm sind, ihren Sinn zu begreifen. Zu oberflächlich, uninteressiert und dumm. Dieser Artikel hat genau das formuliert, was ich denke.

    Keine Angst, ich bin kein facebooker, aber er ist trotzdem gültig. Ich gebe Nachhilfe und da habe ich eine Ansammlung unterschiedlichster Bildungsstufen. Fragt man sie nach Irgendetwas, egal was, kommt die stereotype Antwort: Keine Ahnung.
    Ein schönes Wochenende wünsche ich Dir, Birgitt

  8. quiltfru schreibt:

    Uuups, ich wollte eigentlich nur den link einstellen und nicht gleich das ganze Ding. Bitte entschuldige. Nächstes Mal über e-mail.

    • Elvira schreibt:

      Kein Problem! Diesen Beitrag sollten viele Menschen lesen. Aber wahrscheinlich erreicht er diese Menschen sowieso nicht. Die, die ihn lesen, gehören mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Menschen, die sich immer engagieren, interessieren und tatkräftig helfen. Menschen mit Herzensbildung. Diese geht leider auch immer mehr verloren.
      Ich wünsche Dir ein wunderschönes Wochenende

      • quiltfru schreibt:

        Da hast Du genau das richtige Wort genannt: Herzensbildung. In unserer Abiturfeier wurde damals hervorgehoben, dass man auf dem Gymnasium nicht nur Wissen vermittelt bekommen sollte, sondern auch Herzensbildung. Und irgendwie haben die es damals geschafft. Liebe Grüße, Birgitt

  9. Ingrid schreibt:

    Erstens mal glaube ich, dass viele Menschen durch die Welt laufen und nichts wahrnehmen. Die meisten haben ja auch ein Brett *öhm* ich meine: ein Smartphone vor dem Kopf. Die nehmen ihre Umwelt sowieso nicht wahr.

    Der Spruch ist eine uralte Weisheit, die schon in vielerlei Varianten das Gleiche aussagt: dass es nicht die Tatsache an sich ist, sondern wie man darauf reagiert, was man darüber denkt. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten.

    „Erfahrung ist nicht das, was einem zustößt. Erfahrung ist das, was man aus dem macht, was einem zustößt.“ (Aldous Huxley) – Das geht auch in diese Richtung …

  10. runmanberlin schreibt:

    Hat dies auf runmanberlin rebloggt und kommentierte:
    So ist es….

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